17.11.2011 | PDF
FLZ Fränkische Landeszeitung
Heilsbronn (sh) - Der neue chinesische Eigentümer will den Autozulieferer Sellner weltweit zur Nummer eins in der Dekorleistenbranche machen. Dies erklärte gestern in Heilsbronn während zweier Betriebsversammlungen das neue Management. Betriebsräte und Gewerkschaft dankten den beiden Insolvenzverwaltern Dr. Siegfried Beck und Joachim Exner für ihre gute Arbeit. Alle mehr als 1100 Arbeitsplätze bleiben erhalten.
Die Sellner-Gruppe sei „wohlausgesucht“, erklärte der künftige Geschäftsführer Stefan Clemens die Übernahme. Der gebürtige Vorarlberger, der zuletzt zwölf Jahre für BMW gearbeitet hat, wies darauf hin, dass es sich beim neuen Eigentümer, der börsennotierten Ningbo Huaxing Electronic Co., Ltd. (NBHX), um keine Finanz-Heuschrecke handele. Eine Verlagerung nach China schloss er aus.
NBHX ist ein Autozulieferer, der in China an 15 Standorten rund 5500 Mitarbeiter beschäftigt. Das chinesische Familienunternehmen hatte Sellner dem Vernehmen nach schon seit Jahren im Blick. Die Mittelfranken sind das erste große Engagement außerhalb Chinas. Weitere Zukäufe in der Automobilzuliefererbranche seien geplant, hieß es. Miterworben wurden die Sellner-Werke in Tschechien. Sie sollen weiter als „verlängerte Werkbank“ genutzt werden und so Heilsbronn stärken. Entschieden ist, dass die Verwaltung 2012 von Neuendettelsau nach Heilsbronn umzieht.
Bei den Betriebsversammlungen in den rechtlich noch getrennten Werken Sellner GmbH und IPG Industrieplast GmbH herrschte eine neugierig gespannte Stimmung. Mehrfach gab es Beifall, so zum Beispiel als Insolvenzverwalter Exner klarstellte, dass die Urlaubstage nicht verfallen, sondern bis Ende März bestehen bleiben.
Exner und Dr. Beck bescheinigten der Belegschaft, seit dem Insolvenzantrag im Januar „einen tollen Job gemacht zu haben. Dass die Standorte und alle Arbeitsplätze erhalten bleiben, diesen Erfolg haben Sie sich verdient.“ Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer der Sellner Holding GmbH i. L., Herrmann Kampling. Den Beschäftigten sei es zu verdanken, dass 40000 Fahrzeuge mehr ausgestattet werden konnten als noch im Januar geplant.
Wie zu hören ist, hat dazu nicht zuletzt die „neue Unternehmens-Kultur“ beigetragen, die mit dem Team der Insolvenzverwalter Einzug bei Sellner hielt. Hinzu kam das Vertrauen der Kunden, von VW und Audi, vor allem aber von BMW. Die Münchner Autobauer hätten sich außergewöhnlich stark engagiert, waren sich die Verantwortlichen einig. Als dann auch noch die Stadt Heilsbronn und der Landkreis Ansbach mithalfen, konnte für rund fünf Millionen Euro während der Insolvenz sogar eine neue Produktionshalle gebaut werden. Und es wurden 130 neue Mitarbeiter eingestellt.
Ohne etwas zu versprechen, ließen Geschäftsführer Stefan Clemens und Bernd Hauser - von Januar an für das operative Geschäft zuständig - durchaus Interesse an einem Haustarifvertrag erkennen. Der Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (BCE), Roland Nosko, sprach von einem „erfreulichen Tag“. Ausdrücklich lobte er den offenen und fairen Umgang miteinander.
„Sehr zufrieden“ war der Betriebsratsvorsitzende der Sellner GmbH, Alexander Rißbeck. „Wir haben wieder eine Perspektive.“ Das Insolvenzverfahren sei eine „saubere Sache“ gewesen. Dank des Umbruchs hat Rißbeck jetzt bei der IPG Industrieplast einen Kollegen. Bislang existierte dort kein Betriebsrat. Dessen erster Vorsitzender Erol Titiz hielt sich damit aber nicht lange auf. „Und jetzt gehen wir wieder arbeiten“, schloss er die Betriebsversammlung.