28.11.2023 | PDF
INDat Report 07_2023
Nürnberg. Die Komplexität und Dimension waren für die Anwendung der Werkzeuge des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) eine Premiere und damit Neuland, für das es keine Blaupause gab. Mit einem Restrukturierungsplan hat die Leoni AG mit Sitz in Nürnberg, der börsennotierte globale Anbieter von Produkten, Lösungen und Dienstleistungen für das Energie- und Datenmanagement in der Automobilindustrie mit rd. 100.000 Mitarbeitern in 28 Ländern, eine finanzielle Restrukturierung vorangetrieben, indem sie wesentlich entschuldet und mit frischer Liquidität ausgestattet wird. Peter Reuter fragte den vom Restrukturierungsgericht Nürnberg eingesetzten Restrukturierungsbeauftragten RA Dr. Hubert Ampferl (Dr. Beck & Partner), welche der vielen ihm übertragenen Aufgaben besonders herausfordernd waren, an welchen Stellen man rechtliches Neuland betreten und wie gestaltet hat, warum die Leoni AG die öffentliche Variante des StaRUG-Verfahrens gewählt hat und welche Wirkungen sowohl international als auch auf die Aktionäre von diesem Fall ausgehen.
INDat Report: Die Leoni AG hat am 31.03.2023 beim Amtsgericht Nürnberg eine Anzeige gem. § 31 StaRUG gestellt, mit Beschluss vom selben Tag sind Sie als Restrukturierungsbeauftragter bestellt
worden. Sind Sie und, wenn ja, mit welchem Vorlauf von der Schuldnerin im Vorfeld kontaktiert worden, ob Sie für dieses Amt zur Verfügung stehen, oder sind Sie ohne vorherige Anfrage der
Schuldnerin vom Gericht bestellt worden?
Ampferl: Als maßgeblicher Erfolgsfaktor für das Verfahren ist – ebenso wie bei einem Insolvenzverfahren entsprechender Größe – im Restrukturierungsverfahren ein Vorgespräch zwischen
den Vertretern der Schuldnerin und dem Gericht zwingend erforderlich. Auch wenn es im StaRUG an einer vergleichbaren Regelung zu § 10 a InsO fehlt, gilt der Regelungszweck dieser Norm gleichermaßen. Im Rahmen dieser einige Tage vor der Anzeige der Restrukturierungssache geführten Gespräche erfolgt naturgemäß auch eine Abstimmung zur Person des Restrukturierungsbeauftragten
mit dem Gericht.
INDat Report: Nicht nur mit dem Beschluss vom 31.03.2023, sondern auch mit den Beschlüssen vom 08.05. und 09.05.2023 sind Ihnen als Restrukturierungsbeauftragter weitere Befugnisse erteilt und zahlreiche Aufgaben zugewiesen worden, bis hin zur kompletten Planung eines eventuellen Erörterungs- und Abstimmungstermins mit der dafür notwendigen Räumlichkeit und
einem Sicherheitsdienst. Aus der Menge der Ihnen übertragenen Aufgaben, die im engen Zeitkorsett zu bewerkstelligen waren, stellten sich welche als besonders große Herausforderungen in
diesem bisher größten StaRUG-Fall heraus, dessen einbezogene Beteiligte vom Who‘s who der deutschen Restrukturierungsbranche begleitet und beraten wurden?
Ampferl: Ein wesentlicher Teil der Aufgaben war zunächst organisatorischer Natur. Wie der Name schon sagt, obliegt die gerichtliche Planabstimmung dem Gericht. Die gerichtlichen Strukturen, ausgerichtet auf den klassischen Zweiparteienprozess im Zivilrecht, sind zum einen nicht darauf ausgerichtet, Großveranstaltungen zu organisieren und durchzuführen. Zum anderen bestand bei der Schuldnerin zwar weitreichende Expertise bei der Durchführung großer Hauptversammlungen, bei der
Planabstimmung handelt es sich aber um einen Gerichtstermin mit all den zivilprozessualen Besonderheiten. Zugangs- und Sicherheitskontrollen in der Nürnberger Messe wie bei einem Gerichtsgebäude sicherzustellen und eine den Vorschriften der ZPO entsprechende Vertretung der Beteiligten durchzusetzen, erfordert viel Koordination, bei der meine Erfahrungen aus zahlreichen großen Gläubigerversammlungen und Insolvenzplanabstimmungsterminen sicher hilfreich waren. Neben diesen organisatorischen Fragen standen die inhaltliche Gestaltung des Plans und dessen verfahrensrechtliche Umsetzung natürlich im Vordergrund. Kernpunkte des Restrukturierungsplans
müssen mit den beteiligten Parteien ausverhandelt sein und die Sanierungslösung muss umfassend durchdacht sein, bevor man in ein solches Verfahren geht. Aufgrund der exzellenten Vorbereitung
konnten die wirtschaftlichen Grundlagen der Sanierung und komplexeste rechtliche Fragestellungen immer auf höchstem Niveau diskutiert werden.
INDat Report: Das Restrukturierungsgericht hat mit Beschluss vom 02.06.2023 den festgesetzten Höchstbetrag für die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten auf 100.000 Euro erhöht – der Betrag wurde im veröffentlichten Beschluss nicht unkenntlich gemacht. Im Beschluss vom 31.03.2023 war zudem ermöglicht worden, dass Sie weitere qualifizierte Mitarbeiter einsetzen können. Wenn man den »Mehrwert« abzieht, an einem ggf. wegweisenden StaRUG-Fall an zentraler Stelle mitgewirkt zu
haben, rechnet sich die Vergütung des Restrukturierungsbeauftragten für den erfolgten Aufwand?
Ampferl: Natürlich verursacht ein solches Verfahren erheblichen Aufwand. Dennoch darf man die Rolle des Restrukturierungsbeauftragten nicht aus den Augen verlieren. Die Verantwortung für
den Restrukturierungsplan, die Verhandlungsführung mit den 41 einzelnen Planbetroffenen sowie die juristische Ausarbeitung und Dokumentation des Plans liegen bei der Schuldnerin bzw. deren Beratern. Neben den hier gesondert zu klärenden Organisationsfragen liegt der Kernbereich der Tätigkeit des Restrukturierungsbeauftragten darin, die Einhaltung der juristischen Vorgaben des
StaRUG als neutrale Instanz abzusichern und – soweit vom Gericht angeordnet – die Bestätigungsvoraussetzungen des Plans als Sachverständiger gem. § 73 Abs. 3 StaRUG zu beurteilen.
INDat Report: Die Schuldnerin hat mit Antrag vom 08.05.2023 gem. § 45 StaRUG Antrag auf die Durchführung eines Erörterungs- und Abstimmungstermins und die öffentliche Bekanntmachung
beantragt sowie den Restrukturierungsplan nebst Anlagen einschließlich der Einschätzung zur Sanierungsfähigkeit der Schuldnerin der Roland Berger GmbH vom 05.05.2023 sowie der
Vergleichsrechnung gem. § 6 Abs. 2 StaRUG von RA Dr. Helmut Balthasar (Görg) vom 04.05.2023 vorgelegt. Es war das seinerzeit dritte öffentliche StaRUG-Verfahren – das vierte folgte mit Gerry
Weber. Was waren neben der Ad-hoc-Mitteilungspflicht der Leoni AG die Gründe, die öffentliche Variante zu wählen?
Ampferl: Der Insolvenzordnung und auch dem StaRUG liegt ja zunächst das Paradigma des individuell bekannten Gläubigers zugrunde. Das Aktien- oder Anleiherecht ist im Gegensatz dazu
auf (anonyme) Handelbarkeit der Wertpapiere ausgerichtet. Die individuelle Zustellung einer Ladung an jeden einzelnen Aktionär ist damit faktisch ausgeschlossen, da zustellungsfähige Anschriften – insbesondere für die ausländischen Aktionäre – nicht vorliegen. Gerade für diese Fälle der faktischen Unmöglichkeit der vollständigen Erreichbarkeit der Beteiligten sieht sowohl die Insolvenzordnung wie auch das StaRUG die öffentliche Bekanntmachung vor. Das auf diese Fälle genau zugeschnittene öffentliche Restrukturierungsverfahren wurde für die Leoni AG gewählt.
INDat Report: Der Zeitplan für diesen Fall war eng getaktet, Anzeige am 31.03.2023, gerichtlicher Erörterungs- und Abstimmungstermin am 31.05.2023, die Schuldnerin hatte keine Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen und keinen gerichtlichen Vorprüfungstermin beantragt, was im Ablauf Zeit einsparte. Am 21.06.2023 bestätigte das Amtsgericht Nürnberg den Restrukturierungsplan,
woraufhin aber sofortige Beschwerde eingelegt wurde (siehe dazu die Frage später). An welchen Stellen bestanden die größten Risiken, dass der Zeitplan nicht funktionierte, zu welchem Zeitpunkt gem. den Prognosen wäre der Fall in die Zahlungsunfähigkeit gekippt (wobei das Gericht den Fall gem. StaRUG hätte weiterlaufen lassen können) und wäre eine Restrukturierung in einem Insolvenzverfahren überhaupt denkbar gewesen?
Ampferl: Wie bei jeder Sanierung ist Geschwindigkeit ein erheblicher Erfolgsfaktor. Grundvoraussetzung für die Durchführung des Verfahrens ist eine sehr präzise Vorbereitung. Dies betrifft sowohl das Vorliegen eines Sanierungsgutachtens zum Nachweis der Sanierungsfähigkeit wie auch das Vorliegen einer detaillierten und ausführlich begründeten Vergleichsrechnung. Mit einer umfassenden Vorbereitung kann dann das eigentliche Verfahren sehr zügig umgesetzt werden. Eine Insolvenz der AG wäre nicht auf die Holding beschränkt geblieben, sondern hätte weitere Insolvenzen
bei Tochtergesellschaften nach sich gezogen. Die Umsetzung des nunmehr rechtskräftigen Restrukturierungsplans in der Insolvenz wäre damit eins zu eins nicht möglich gewesen und die Insolvenz hätte zu deutlich schlechteren Ergebnissen geführt. Eine Insolvenz hätte u. a. bedeutet, dass in einzelnen insolventen Gesellschaften klassische übertragende Sanierungen anzustreben gewesen wären und für solche Gesellschaften, die stand alone funktionieren, ein Anteilsverkauf erfolgt wäre.
INDat Report: Dieser Fall war auch Neuland für das Restrukturierungsgericht bzw. den zuständigen Restrukturierungsrichter. Wie muss man sich die wohl enge Zusammenarbeit zwischen Gericht und Restrukturierungsbeauftragtem in diesem Fall vorstellen?
Ampferl: Der Restrukturierungsbeauftragte ist das Bindeglied zwischen der Schuldnerin und dem Gericht. Gericht und Restrukturierungsbeauftragter müssen in nahezu täglichem wechselseitigen Austausch stets auf »Ballhöhe« zu allen rechtlichen und verfahrensmäßigen Fragen sein. Nur durch die umfassende Einbindung des Gerichts ist es diesem möglich, auf fundierter Grundlage verfahrensleitende Entscheidungen zu treffen und letztlich über den Restrukturierungsplan zu entscheiden.
INDat Report: Das Gericht hat Ihnen mit Beschluss vom 08.05.2023 die Berechtigung übertragen, zwei Sachverständige zu beauftragen, um rechtliche und tatsächliche Fragen im Zusammenhang
mit dem Restrukturierungskonzept zu klären; Sie hatten dafür Prof. Dr. Stephan Madaus, der u. a. zu Fragen des Kapitalschnitts, des Bezugsrechtsausschlusses, zur Gruppenbildung, zur gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung und zur Notwendigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung ein Gutachten vorgelegt hat, sowie Prof. Dr. Andreas Schüler, der u. a. zur Ermittlung und Einordnung des Werts des Eigenkapitals der Leoni AG ein Gutachten erstellt hat, beauftragt. Zudem hatten Sie selbst ein umfängliches Gutachten nach dem Erörterungs- und
Abstimmungstermin innerhalb kürzester Zeit zu erstellen, u. a. zur Planbestätigung, zur Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, zu den Planbedingungen und den verfahrensrechtlichen
Vorschriften und zur Ausgestaltung des Plans, zur Gruppenbildung, zu Voraussetzungen für die Zustimmungsfiktion sowie zur Zulässigkeit/Begründetheit der Versagungsgründe und zu den Minderheitenschutzanträgen. Bei welchen dieser Fragen haben Sie und die beiden Gutachter aus Ihrer Sicht im Besonderen rechtliches Neuland betreten bzw. allgemein für das StaRUG
Wegweisendes (vor)bestimmt?
Ampferl: Eine zentrale Frage war zunächst, ob ein Restrukturierungsverfahren einer AG ohne Hauptversammlungsbeschluss eingeleitet werden darf. Dies war zu bejahen. Es wäre widersinnig,
im Verfahren die Gruppe der Aktionäre überstimmen zu können, die Einleitung des Verfahrens aber von einem Mehrheitsbeschluss der Aktionäre abhängig zu machen. Weitere wesentliche
Fragestellung war die Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses der Altaktionäre. Kein wirkliches Neuland waren Rechtsfragen im Zusammenhang mit der gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung. Für die Ersteller des Restrukturierungsplans bestand die wesentliche Herausforderung darin, die abstrakt generellen Regelungen des gestaltenden Teils eines Restrukturierungsplans mit den üblichen Anforderungen der Banken an Finanzierungsdokumente,
also die für Sanierungssituationen banküblichen Kreditdokumentationen, zu verzahnen.
INDat Report: Nach der Planbestätigung des Amtsgerichts Nürnberg am 21.06.2023 – von den drei Gruppen gab es in der dritten Gruppe des Aktienkapitals (es gab rd. 25.000 Aktionäre) nicht die erforderliche Dreiviertelmehrheit – erfolgte sofortige Beschwerde von planbetroffenen Aktionären, das Amtsgericht Nürnberg hat den sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Nürnberg-Fürth für eine Entscheidung vorgelegt. Die Aktionärsvertreter hatten allerdings signalisiert,
so steht es in den Beschlüssen, nicht an einem Scheitern der Restrukturierungsbemühungen interessiert zu sein, sondern an einer angemessenen Behandlung aller Aktionäre, die im Zuge des Restrukturierungsplans bei Delisting der Leoni-Aktie ausscheiden. Am 17.07.2023 verwirft das Landgericht die Beschwerden gegen den Planbestätigungsbeschluss, der Plan wird rechtskräftig. Hat Sie der so zügige Beschluss des Landgerichts und dessen so klare Entscheidung überrascht und was bedeutet dieser Ausgang generell für das Risiko von Aktionären von Unternehmen weit vor der Insolvenzreife?
Ampferl: Die Schnelligkeit des Verfahrens ist von elementarer Bedeutung dafür, ob es in der Praxis angenommen wird. Vertrauen ist die Grundlage jedes Wirtschaftens. Solange aufgrund eines laufenden Verfahrens bei Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern Verunsicherung herrscht, wird niemand langfristige Geschäfte mit einem Schuldner im Restrukturierungsverfahren machen. Deshalb gehört es zu einem solchen Verfahren auch dazu, dass über Rechtsmittel einzelner Planbetroffener zügig entschieden wird. Zudem ist die schnelle Entscheidung auch ein klares Signal an Spekulanten, die sich erst nach Anzeige der Restrukturierungssache einkaufen und sich rechtliche Unsicherheit dahin gehend zunutze machen wollen, hohe Abfindungsbeträge zu erhalten. Für Aktionäre und Gesellschafter ist das StaRUG insgesamt das Signal, dass auch vor Eintritt der materiellen Insolvenz
Interessen der Gläubiger am Erhalt ihrer Forderungen – oder zumindest Teilen davon – durchgesetzt werden können und die Gläubiger nicht warten müssen, bis das Insolvenzverfahren – mit im Zweifel für sie schlechteren Ergebnissen – beantragt ist. Zur Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, durch die die Gläubiger mehr erhalten als im Liquidationsfall, muss nicht bis zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gewartet werden. Der in jedem Lehrbuch zu findende Hinweis, dass die Sanierung frühzeitig eingeleitet werden muss, um erfolgreich zu sein, kann in Form eines Restrukturierungsverfahrens
umgesetzt werden. Die Grundaussage des StaRUG ist dabei, dass Maßnahmen auch gegen den Willen einzelner Beteiligter oder beteiligter Gruppen vollzogen werden können – die Gläubiger können also auch selbst die Gesellschafterstellung übernehmen oder den Wechsel der Gesellschafter
oder Aktionäre beschließen. Diese gesetzliche Grundentscheidung des StaRUG ist auch zutreffend, da die Forderungsrechte der Gläubiger vorrangig vor den Rechten der Eigenkapitalgeber sind. Voraussetzung dafür ist immer, dass die Rechte der Gläubiger gefährdet sind. Dies war bei der Leoni AG angesichts der kurzfristig im Raum stehenden Insolvenzreife der Fall. Diese Fälle der frühzeitigen Einleitung von Sanierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger sind von Fallkonstellationen abzugrenzen, bei denen unter dem Deckmantel der Gläubigerbefriedigung in einer Zwei-Mann-GmbH versucht wird, gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten zu lösen bzw. den Minderheitsgesellschafter herauszudrängen.
INDat Report: Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz gab es viele Diskussionen, welcher EU-Mitgliedstaat das wettbewerbsfähigste Restrukturierungswerkzeug
schafft, das den Vergleich mit dem englischen Scheme standhält. Es hat häufig geheißen, das sog. Dutch Scheme werde den anderen nationalen Umsetzungen den Rang ablaufen. Welches internationale Feedback hat Sie zu dieser finanziellen StaRUG-Restrukturierung für eine Unternehmensgruppe mit rd. 100.000 Mitarbeitenden in 28 Ländern und einem in 2021 erzielten
Konzernumsatz von 5,1 Mrd. Euro bisher erreicht?
Ampferl: Ich war überrascht, welches große Interesse das Verfahren auch im Ausland erzeugt hat. Gerade internationale Finanzinvestoren und Banken müssen natürlich von der Funktionsfähigkeit
des deutschen Restrukturierungsverfahrens überzeugt werden. Insofern ist es für den Sanierungsstandort Deutschland als sehr positiv zu bewerten, dass wir über einen funktionsfähigen Rechtsrahmen verfügen, der es den Gläubigern erlaubt, die von ihnen mit qualifizierter Mehrheit angestrebten Sanierungsmaßnahmen zügig und rechtssicher umzusetzen.
INDat Report: Mit diesem größten und wohl auch komplexesten StaRUG-Fall wurde wie aufgezeigt an vielen Stellen rechtliches Neuland betreten, es gab dafür keine Blaupause. An welchen Stellen würden Sie infolge dieses Falls und der als Restrukturierungsbeauftragter gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse eine Nachjustierung des Gesetzes vorschlagen?
Ampferl: Natürlich ergeben sich bei einem neuen Gesetz regelmäßig Fragestellungen, die sich allein mit dem Wortlaut der Normen nicht lösen lassen. Wie aufgezeigt wäre eine Regelung für ein Vorgespräch sinnvoll. Auch passen die Normen der ZPO, die sich auf einen Zwei-Parteien-Prozess beziehen, nicht zu einem Verfahren mit mehreren Tausend Beteiligten, etwa wenn es um die Frage geht, ob ein einzelner Planbetroffener die Verlegung des Erörterungs- und Abstimmungstermins beantragen kann. Auch eine Regelung zur Bekanntmachung einer Planzusammenfassung auf der Internetseite einer börsennotierten Gesellschaft, wie in § 235 Abs. 3 Satz 4 InsO geregelt, fehlt bei § 85 Abs. 2 StaRUG. Insgesamt lassen sich die aufgeworfenen Fragestellungen aber dann lösen, wenn die Gerichte bereit sind, sich am Sinn und Zweck des Gesetzes – nämlich einer schnellen und rechtssicheren Sanierung von Unternehmen im bestmöglichen Interesse der Gläubiger, Mitarbeiter und Vertragspartner der Schuldnerin – zu orientieren.