28.08.2015 | PDF
DiePresse.com
Die 55. Internationale Funkausstellung in Berlin (4. bis 9. September) ist eine Zäsur. Erstmals ist der größte deutsche Fernseherbauer Loewe nicht mehr dabei. Kein Stand, keine Produktvorstellung, keine Pressekonferenz - nichts. Nach Pleite und Rettung durch Privatinvestoren muss Loewe erstmals in seiner Geschichte auf eine Präsenz auf der weltgrößten Messe für Unterhaltungselektronik verzichten.
Unterdessen überbieten sich Koreaner und Chinesen von Jahr zu Jahr mit immer größeren und vollgepackteren Messeständen. Wohin die Reise auf dem Markt für Fernsehgeräte geht, zeigen die Planungen des deutschen Herstellers Metz. Die chinesische Skyworth übernahm das Traditionsunternehmen aus der Pleite, nun teilen sich beide Firmen ab kommenden Freitag einen großen Messestand. Links die Produkte aus Zirndorf, rechts jene aus dem Reich der Mitte.
Den Platzhirschen im Fernsehergeschäft räumt die Messe Berlin seit dem vergangenen Jahr die neueste und prominenteste Halle neben dem Haupteingang ein. Samsung dominiert zusammen mit den koreanischen Landsleuten von LG dem weltweiten Markt für Fernseher. Zusammen kommen sie auf einen Marktanteil von über der Hälfte. Sie entfesselten vor einigen Jahren einen gnadenlosen Preiskampf, dem letztlich die beiden letzten großen deutschen Hersteller Loewe und Metz zum Opfer fielen.
Doch Samsung und LG werden vom Jäger zum Gejagten. Die Umsätze mit Fernseher schrumpften zuletzt in ganz Europa. Allein in Deutschland sackten die Umsatzzahlen im ersten Halbjahr um fast 17 Prozent ab. Und die Chinesen kommen. "Wir sehen mehrere chinesische Hersteller, die sich verstärkt in Europa engagieren", sagte GfK-Experte Alexander Dehmel. Skyworth versucht über Metz in Europa Fuß zu fassen. Hisense unterhält eine strategische Partnerschaft mit Loewe, tritt aber auch zunehmend eigenständig auf. Hinzu kommt die riesige TCL, die sich die Marken Schneider und Thomson einverleibt hat, sowie der Taiwaner Philips-Erbe TPV und der Billigstanbieter Sichuan Changhong Electric.
Die Chinesen drehen bei Standard-Flachbildschirmen weiter an der Preisschraube, so dass sich die Koreaner und die wenigen verbliebenen Japaner wie Sony oder Panasonic in neue Technologien flüchten, um ihre Gewinne zu sichern. Sie setzten auf ultrahochauflösende Bildschirme, gewölbte Mattscheiben und höchste Farbbrillanz mit neuester Leuchtdioden-Technik. Der Umsatz mit TV-Geräten abseits der herkömmlichen Flüssigkristalltechnik hat sich im ersten Halbjahr auf 11 Mio. Euro vervierfacht.
Im Geschäft mit Haushaltsgeräten tun sich die Asiaten gegen die großen westlichen Marktführer jedoch schwer. Samsung verkündete vor Jahren, bis 2015 der größten Anbieter von sogenannter Weißer Ware werden zu wollen - und scheiterte. Wenn es um Waschmaschinen oder Kühlschränke geht greift die Kundschaft weltweit immer noch am liebsten zu Produkten aus den Häusern Bosch, Miele, Electrolux, Whirlpool oder Liebherr. Die Amerikaner und Europäer halten die fernöstliche Konkurrenz wie Samsung oder die chinesische Haier noch auf Distanz.
Dank ständig neuer Technologien im Bereich der Konsumentenelektronik platzt die IFA auch dieses Jahr wieder aus allen Nähten. Das verschachtelte Berliner Messegelände ist zum achten Mal in Folge ausgebucht. Auf der Traditionsmesse dürften heuer insgesamt Waren für 4,25 Mrd. Euro bestellt werden, erwarten die Veranstalter. Das meiste für das anstehende Weihnachtsgeschäft.
Einen alles dominierenden Trend gibt es in diesem Jahr allerdings nicht, eher mehrere Themen, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Der IT-Branchenverband Bitkom zählt dazu einerseits die fortschreitende Vernetzung von Haushaltsgeräten, bekannt unter dem Namen Internet der Dinge. "Dabei geht es nicht mehr nur um den Kühlschrank, dessen Inhalt mit einer App kontrolliert werden kann, sondern immer mehr auch um die intelligente Beleuchtung oder Heizung. Wir gehen davon aus, dass bis 2020 in Deutschland eine Million Haushalte per Smartphone Geräte steuern oder automatisierte Abläufe nutzen", sagt Bitkom-Experte Timm Lutter.
Zudem stehen Fitness-Armbänder und Smart-Watches im Fokus der Messe, die durch den Einstieg von Apple einen deutlichen Schub erhalten haben. "Vier von zehn Deutschen können sich vorstellen, eine intelligente Uhr zu tragen und zu nutzen. Das ist ein Markt, der noch massiv zulegen wird", findet Lutter. Somit ist Apple mit seinen Geräten zwar nicht auf der IFA vertreten, sorgt aber trotzdem für Schwung. Computeruhren haben unter anderem Sony und Samsung im Angebot.
(dpa)