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Neustart

24.06.2015
Süddeutsche Zeitung

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Auf dem umkämpften Markt für Fernseher gingen die deutschen Traditions­marken Loewe und Metz fast unter. Wie sie wieder in die Erfolgsspur kommen wollen.

Von Uwe Ritzer

Siebzig Quadratmeter beste Münchner Lage am Rande der Fußgängerzone, ruhiges Rückgebäude, zweiter Stock. So repräsentativ das Umfeld, so lässig geht es hinter der Tür von Stargate Capital zu. Mark Hüsges, 45, parkt das Mountainbike in seinem Büro; sein Partner Boris Levin, 54, öffnet mangels Assistentin persönlich die Tür. Knapp 300 Kilometer Richtung Norden sind es von hier aus zu der Firma mit dem klangvollen Namen und der langen Geschichte, die beide vor gut einem Jahr im letzten Moment gerettet haben: Loewe, eine der großen Ikonen der deutschen Unterhaltungselektronik.

Hüsges und Levin würden sich nicht wie flüchtige Finanzinvestoren gebärden, sondern wie bodenständige Familienunternehmer, hat einer aus der Loewe-Zentrale im oberfränkischen Kronach mit auf den Weg nach München gegeben. Hüsges freut sich über die Charakterisierung. "So verstehen wir uns auch", sagt er. "Wir stecken da schließlich nicht nur mit viel Herzblut drin, sondern auch mit unserem Geld." Er kommt gerade aus Mallorca, wo der schlaksige, ehemalige Investmentbanker als einziger Vertreter eines TV-Geräteherstellers vor Hunderten Fachhändlern eine Rede halten durfte.

Zwanzig Minuten hatte er Zeit, um Vertrauen einzuwerben. Die Händler waren gespannt, sie wollen und brauchen Alternativen zu den marktbeherrschenden Samsungs, Panasonics und LGs. Also hat Hüsges ihnen erzählt, was Levin und er im Jahr eins nach der Insolvenz bei Loewe alles verändert haben. Wie sie das Unternehmen neu und straffer organisiert haben. Wie sie die Produktpalette systematisch erneuern. Wie sie die Geräte verbessern. Und dass Kronach auch künftig das Loewe-Zentrum sein werde, Produktion inklusive.
Auch Norbert Kotzbauer, 52, war bei dem Händlertreffen in Mallorca. Für einen Kurzvortrag auf der Bühne hat es aber nicht gereicht. Was hätte er auch sagen sollen? Kotzbauer ist geblieben, was er schon seit Jahren ist: Chef von Metz, dem ähnlich wie Loewe traditionsreichen TV-Gerätehersteller aus Zirndorf bei Fürth. Metz gehört seit 1. Juni zum chinesischen Skyworth-Konzern, einem der größten TV-Gerätehersteller. Pläne für die Zukunft gibt es zwar viele, aber noch kann niemand zuverlässig sagen, was die neuen Eigentümer mit Metz vorhaben. "Wir müssen Geschwindigkeit aufnehmen", sagt Kotzbauer. "Andererseits brauchen wir aber auch Geduld."

Asiatische Konzerne produzieren seit Jahren mehr Fernseher, als gebraucht werden

Loewe und Metz - die neben Technisat letzten deutschen Fernsehgerätehersteller arbeiten am Neustart. Loewe ist mehr als 90, Metz fast 80 Jahre alt. Beide konnten sich nicht mehr auf einem Markt behaupten, der verrückt spielt. Weil asiatische Konzerne seit Jahren mehr Fernseher produzieren, als gebraucht werden. Das lässt die Preise stürzen, obwohl die Geräte immer besser werden. Fernseher sind zu Wegwerf-Artikeln geworden. Der Preisverfall freut die Verbraucher, ruiniert aber viele Hersteller. Auch Loewe und Metz wären um ein Haar zugrunde gegangen. Ihre Geräte sind deutlich, zum Teil um ein Mehrfaches teurer als die asiatische Massenware.

Zunächst schlitterte Loewe in die Krise, was jeder mitbekam, weil das Unternehmen damals noch börsennotiert war und deshalb von Gesetzes wegen alle drei Monate seine Umsatzeinbrüche und die wachsenden Verluste öffentlich darlegen musste. Metz ging es ähnlich, nur konnten die Zirndorfer dies besser verbergen. Das Unternehmen gehörte der inzwischen 90-jährigen Helene Metz, der Witwe des Firmengründers und dann einer Stiftung. Schließlich meldete Loewe im Oktober 2013 Insolvenz an; Metz zog im November 2014 nach.
Nun scheint Loewe das Schlimmste hinter sich zu haben. Das erste Jahr nach der Übernahme habe die Firma ohne Verluste abgeschlossen und ihr Geschäft sei gewachsen, sagt Hüsges. Zahlen will er nicht nennen. Operativ gelänge es "immer besser, den Kunden den Mehrwert unserer Geräte zu verdeutlichen", sagt er.

Als Indikator für den guten Start darf der Zuwachs an Arbeitsplätzen gelten. Etwa 400 Menschen arbeiteten vor einem Jahr bei Loewe in Kronach und kleinen Ablegern in Darmstadt und Hannover; inzwischen sind es 30 mehr. Noch mehr als ihre schiere Zahl sagt die Art der neuen Stellen über die neue Loewe aus. Eingestellt wurden vor allem Entwickler, Software- und Designexperten. "Das sind die Bereiche, auf die wir besonders setzen", sagt Hüsges.

Die komplette Produktpalette wurde bereits auf ultrahochauflösende UHD-Bildtechnologie umgestellt. Demnächst kommen Geräte mit Bildschirmdiagonalen von 48 und 55 Zoll (1,20 und 1,40 Meter) auf den Markt. Immer besser lassen sich Loewe-Fernseher untereinander und mit anderen Geräten wie Smartphones oder Tablet-Computer vernetzen. Das sei die Zukunft, sagen sie in Kronach. "Unsere Geräte sollen im Haushalt der Zukunft eine wesentliche Rolle spielen", sagt Hüsges.

Versuche, mit billigeren Einstiegsgeräten Käufer zu ködern, haben nichts gebracht

Was Loewe nicht gemacht hat: Die Preise radikal gesenkt und sich auf den ruinösen Preiskampf mit den asiatischen Giganten eingelassen. "Wir verfolgen eine Mehrwertstrategie", sagt Hüsges. Der Kunde soll für sein Geld einen entsprechenden Gegenwert erhalten. Frühere Versuche, mit billigeren Einstiegsgeräten Käufer zu ködern, wurden ad acta gelegt.

"Das scheint alles ganz gut zu funktionieren", sagt ein Branchenexperte. "Loewe macht beim Handel wieder Boden gut." Konsumforschern der GfK zufolge hat die Marke ihren Marktanteil im UHD-Segment von 2,8 Prozent im Januar auf 8,2 Prozent im März steigern können. UHD ist ein zwar noch überschaubares Segment, aber eines, das stark wächst.

Und Metz?

Der Skyworth-Konzern zählt 30 000 Mitarbeiter in der TV-Gerätesparte; daneben machen sich die 190 Metz-Beschäftigten zahlenmäßig mickrig aus, zumal ihre Zahl bis Jahresende auf 152 schrumpfen soll. Metz soll Skyworth helfen, als Marke in Europa Fuß zu fassen. "Es wird aber nicht so sein, dass wir künftig auf Skyworth-Geräte das Namensschild Metz aufkleben", sagt Norbert Kotzbauer. Die Chinesen hätten sich zu einer Zwei-Marken-Strategie bekannt. "Das Engagement der neuen Eigentümer ist groß", sagt Kotzbauer. "Man merkt, dass sie den Erfolg wollen."

In Zirndorf ändert sich gerade einiges. Die Blitzgerätesparte und den Kunststoffbau von Metz hat ein Fürther Mittelständler übernommen. Die Fernseher-Fertigung wurde deutlich reduziert. "Die Produktionstiefe wird künftig nicht mehr so weit reichen", sagt Kotzbauer.