16.12.2014
Obermain-Tagblatt
Insolvenzverwalter: Alle Arbeitsplätze bei Scherer & Trier gerettet - Kaufvertrag unterzeichnet
(red/art) Der Automobilzulieferer Scherer & Trier in Michelau, der im März dieses Jahres Insolvenz anmelden musste, ist an den indischen Automotive-Konzern Samvardhana Motherson Group verkauft worden. Durch den Verkauf können, so Insolvenzverwalter Joachim Exner, „sämtliche Arbeitsplätze bei Scherer & Trier gerettet werden“.
Der Konzern aus Indien beschäftigt weltweit 70 000 Arbeitnehmer und hat 2013/2014 einen Umsatz von 6,1 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet. Scherer & Trier ist mit rund 2000 Arbeitsplätzen zweitgrößter Arbeitgeber im Landkreis Lichtenfels und hatte 2013 einen Jahresumsatz von 240 Millionen Euro.
Monatelang war über die Zukunft des heimischen Unternehmens spekuliert worden. Die Politik hatte von Anfang Unterstützung bei der Rettung des Automobilzulieferers zugesagt. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner kam dazu eigens nach Lichtenfels.
Der Betriebsrat des Michelauer Unternehmens lobte am Montag die Arbeit des Insolvenzverwalters. „Wir sind erleichtert und glücklich, dass dies vor Weihnachten gelungen ist“, sagte Betriebsratsvorsitzender Peter Leipold. Man sei zudem froh, nun zur Motherson Gruppe zu gehören. „Das ist die Ideallösung für uns“, so Leipold wörtlich.
Auch Landrat Christian Meißner hielt stets Kontakt zum Insolvenzverwalter. Er zeigte sich am Montag sehr erfreut über den Gang der Dinge: „Ich hoffe, dass dieser Schritt für die Mitarbeiter von Scherer & Trier, deren Angehörige und die ganze Region ein verheißungsvoller Neuanfang sein wird. Ich danke allen die dazu beigetragen haben, dass noch vor Weihnachten eine Lösung gefunden wurde, allen voran Insolvenzverwalter Joachim Exner,“ so der Landrat.
Insolvenzverwalter Exner bezeichnete den Käufer in Indien nach Unterzeichnung des Kaufvertrags als den idealen strategischen Partner für Scherer & Trier. Er teilte dem OT weiter mit, dass es um die Übernahme des Geschäftsbetriebs und aller 2040 Mitarbeiter von Scherer & Trier gehe. Nicht nur alle Arbeitsplätze bleiben erhalten, sondern der Standort Michelau werde „sogar noch ausgebaut“.
Motherson plane, den Standort Michelau zum Entwicklungszentrum auch für andere Geschäftsbereiche der Gruppe auszubauen. Die Grundlage dafür bilde das branchenweit anerkannte „Technikum“, in dem Scherer & Trier seine Produkte und Werkzeuge selbst entwickele.
Die Samvardhana Motherson Group ist weltweit mit Standorten in 25 Ländern vertreten. „Beide Unternehmen ergänzen sich perfekt in Produktportfolio, internationaler Ausrichtung und Kunden. Besonders freut mich, dass kein Scherer & Trier-Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verlieren muss,“ so Exner zur neuen Partnerschaft. Der Betriebsübergang ist laut Insolvenzverwalter für Januar 2015 geplant. Die Gläubiger hätten dem Verkauf bereits zugestimmt, die Genehmigung durch die Kartellbehörden sei beantragt.
Über den Kaufpreis wurde zwar Stillschweigen vereinbart. Exner teilte jedoch mit, dass die Gläubiger mit einer weit überdurchschnittlichen Quote im zweistelligen Prozentbereich rechnen können.
„Besonderer Dank gebührt jedoch den Mitarbeitern, ohne deren unermüdliches Engagement Scherer & Trier diese schwere Zeit nicht hätte überwinden können.“
Joachim Exner Insolvenzverwalter
Die wirtschaftliche Situation von Scherer & Trier hatte sich in den jüngsten Monaten laut Mitteilung des Insolvenzverwalters immer weiter verbessert. Alleine in den vergangenen Wochen konnte das Unternehmen direkte Neuaufträge mit einem Gesamtumsatz in Höhe von rund 110 Millionen Euro sowie Entwicklungsaufträge mit einem Umsatzvolumen von weiteren 150 bis 200 Millionen Euro über den Lebenszyklus akquirieren. „Das ist angesichts des laufenden Insolvenzverfahrens ein phänomenaler Erfolg, der aber nur möglich wurde, weil alle Verfahrensbeteiligten die Sanierung des Unternehmens von Anfang an unterstützt haben“, ergänzte Exner.
„Dank gebührt der Politik, allen voran der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner und Landrat Christian Meißner, die uns immer Rückhalt gegeben haben. Außerdem den Kunden, unter anderem vor allem BMW, Daimler und Volkswagen sowie weiteren Industriekunden, die Scherer & Trier während des gesamten Insolvenzverfahrens nicht zuletzt mit Neuaufträgen unterstützt haben.“
Exner dankte auch den Banken für die konstruktive Zusammenarbeit während des gesamten Sanierungsprozesses, insbesondere dem Bankenkonsortium unter Führung der Bayerischen Landesbank, der LFA und den regionalen Sparkassen Bamberg und Coburg-Lichtenfels. „Besonderer Dank gebührt jedoch den Mitarbeitern, ohne deren unermüdliches Engagement Scherer & Trier diese schwere Zeit nicht hätte überwinden können“, so der Insolvenzverwalter.
Scherer & Trier hatte am 10. März 2014 trotz guter Auftragslage Insolvenz anmelden müssen, nachdem Gespräche über eine Anschlussfinanzierung gescheitert waren. Joachim Exner gelang es, Kunden und Lieferanten bei der Stange zu halten und führte den Geschäftsbetrieb des Unternehmens in vollem Umfang fort. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anfang Juni lief die Produktion ohne Unterbrechungen weiter, ohne dass Exner insolvenzbedingte Kündigungen aussprach.
Zugleich leitete Exner zusammen mit dem neuen Geschäftsführer Rolf Graf konsequente Restrukturierungsmaßnahmen ein, wodurch hohe Effizienz- und Produktivitätssteigerungen erreicht wurden. Parallel hatte der Insolvenzverwalter mit Hochdruck die Investorengespräche vorangetrieben, bis jetzt der Durchbruch gelang.
„Das ist die Ideallösung für uns.“
Peter Leipold Betriebsratsvorsitzender
Scherer & Trier entwickelt und fertigt thermoplastische Formteile für die Automobilindustrie. Zu den Kunden zählen sämtliche namhafte Automobilhersteller, wie unter anderem BMW, Daimler und der VW-Konzern. In Michelau ist der größte Teil der Mitarbeiter beschäftigt. Daneben unterhält das Unternehmen Standorte in den USA und Mexiko