10.06.2013
Fränkischer Anzeiger
Insolvenz bei Sport Erhard eröffnet – Betrieb läuft voll weiter
ROTHENBURG/BURGBERNHEIM – Für den in Rothenburg gegründeten und in Probleme geratenen Sportgerätehersteller Erhard Sport International GmbH & Co KG mit Sitz in Burgbernheim hat jetzt eine neue Phase begonnen. Das in vollem Umfang fortgeführte Unternehmen muss nach offiziell erfolgter Eröffnung der Insolvenz nun die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter wieder ganz aus eigener Kraft erwirtschaften. Mit der Insolvenzeröffnung endet der sogenannte Insolvenzgeldzeitraum und es gibt keine unterstützenden Zahlungen mehr aus der Kasse der Agentur für Arbeit.
Insgesamt geht es bei dem Verfahren um Verbindlichkeiten in Höhe von rund 13 Millionen Euro. Insolvenzverwalter Joachim Exner (Nürnberg) von der Kanzlei Beck & Partner mit Hauptsitz in München hat nun das alleinige Sagen im Unternehmen. Er will den im vorläufigen Verfahren eingeschlagenen Sanierungskurs und die Investorensuche fortsetzen. In den letzten Wochen sei es gelungen, wichtiges Vertrauen bei den Geldgebern, Mitarbeitern und Kunden zurückzugewinnen und damit einen guten Grundstein für eine Sanierung zu legen, heißt es in einer Mitteilung zum gegenwärtigen Stand bei Erhard Sport.
Angesichts des vorhandenen Investoreninteresses sieht der Insolvenzverwalter gute Chancen für den Erhalt des Unternehmens. Erste Gespräche mit möglichen Investoren hat er bereits während des vorläufigen Verfahrens aufgenommen. Ihm war es in den Wochen vor Eröffnung der Insolvenz auch gelungen, zunächst den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und (wie berichtet) einen Massekredit in sechsstelliger Höhe mit der Sparkasse Rothenburg auszuhandeln. Was zunächst auch die Fortführung des Geschäftsbetriebs über die Insolvenzeröffnung hinaus gesichert hat.
Mit dem Massekredit und der Zusage finanzieller Unterstützung habe sich die Sparkasse Rothenburg klar zum Erhalt und zur Sanierung des Unternehmens bekannt, lobt der Insolvenzverwalter ausdrücklich. Alle Beteiligten, insbesondere Mitarbeiter und Kunden, hätten dadurch nicht zuletzt etwas Planungssicherheit bekommen.
Da mit der Insolvenzeröffnung auch der Insolvenzgeldzeitraum endet, muss das Unternehmen die Löhne und Gehälter seiner Mitarbeiter jetzt wieder in vollem Umfang selber erwirtschaften und auszahlen. Der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass dem Betrieb dies gelingt. Derzeit gilt die Auslastung beim Sportgerätehersteller als gut.
„Auch unsere lokalen Partner und Lieferanten halten uns die Stange und wollen weiter mit Erhard Sport zusammenarbeiten,“ betont Joachim Exner und hebt in diesem Zusammenhang besonders auch das Engagement der Mitarbeiter hervor. Sie seien außerordentlich motiviert und glaubten an die Zukunft ihres Unternehmens: „Alle ziehen an einem Strang.“
Seit längerem befindet sich die traditionsreiche und weltweit agierende Firma für Sportgeräteherstellung, -service und -handel in einem umfassenden Restrukturierungsprozess. Der Insolvenzverwalter beabsichtigt, den Geschäftsbetrieb solange aufrechtzuerhalten bis ein Investor gefunden sei, der dem Unternehmen wieder eine dauerhafte Perspektive gibt. Diesbezüglich laufen die Gespräche weiter. Es gebe eine Reihe von Interessenten, heißt es. Am Unternehmenssitz in Burgbernheim geben sich derzeit Delegationen, die sich vor Ort ein Bild von der Firma machen wollen, die Klinke in die Hand.
„Wir bitten jedoch um Verständnis, dass wir keine weiteren Details veröffentlichen, um die Verhandlungen nicht durch Indiskretionen zu gefährden. Zudem wurde zwischen allen Parteien Stillschweigen vereinbart,“ lässt Insolvenzverwalter Joachim Exner verkünden.
Trotz guter Auftragslage war es zu einem Liquiditätsengpass gekommen, so dass die Geschäftsführung vor Abschluss der Investorensuche Insolvenz anmelden musste. Wie es dazu kommen konnte? „Die Gründe, die zu einer Insolvenz geführt haben, sind stets vielschichtig und werden in einem Gutachten aufgearbeitet, das dem Gericht bereits vorliegt und das auch den Gläubigern zugänglich ist,“ lässt der Insolvenz-Verwalter ausweichend mitteilen. Besagtes Gutachten sei jedoch nichtöffentlich. Zuständig für das Verfahren im Fall Erhard Sport ist das Insolvenzgericht Fürth.
„Die Gründe reichen weiter zurück,“ betont der in Nürnberg sitzende Bezirksleiter Roland Nosko von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (BCE). Schon vor zwei Jahren habe die Beratungsfirma Bayern Consult ein Sanierungskonzept erstellt. Aber „richtig passiert“ sei seitdem nichts, zumindest habe es in entscheidenden Punkten am Willen zur Umsetzung gefehlt. Die Geschäftsleitung habe „nur von großen Ideen geträumt und vor sich hingewurstelt“, meint Nosko.
Statt dringend fälliger Strukturanpassungen, einer Zusammenführung von Bereichen und einer klaren Definition von Zuständigkeiten sei es zu weiteren Einstellungen gekommen, beispielsweise in der Verwaltung. „Wenn hier etwas früher reagiert worden wäre, hätte das der Sache sicher gut getan,“ meint der Gewerkschafter zusammenfassend.
Insgesamt sieht der Bezirksleiter der IG BCE aber zum derzeitigen Stand bei Erhard Sport durchaus keinen Grund zum Schwarzmalen: „So schlecht steht’s gar nicht.“ Mit der Einsetzung von Joachim Exner sei ein guter Schritt getan worden für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. Auch Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Merz aus Hartershofen, der als Schlosser im Betrieb wirkt, setzt in dieser Hinsicht großes Vertrauen in den Insolvenzverwalter.
Ende vergangenen Jahres noch hat die Belegschaft nach Angaben des Gewerkschafters ein großes finanzielles Opfer für den Fortbestand des Unternehmens erbracht. Die tarifliche Jahresleistung, das sogenannte Weihnachtsgeld, ließ sie sich nicht auf einmal, sondern in mehreren Raten auszahlen. Allerdings sei der Effekt dieser Stundung überaus enttäuschend gewesen. Seitens der Firma habe man dabei Geld gewonnen, aber nichts damit angefangen. Zumindest sei bis jetzt unklar, was damit geschehen sei.
In den letzten drei Monaten haben nach Angaben des IG-BCE-Bezirksleiters ein Dutzend der insgesamt rund 200 Erhard-Beschäftigten die Firma von sich aus verlassen und sind anderweitig untergekommen. „Das sind nicht die schlechtesten. Sie würden jetzt eigentlich dringend gebraucht werden im Unternehmen,“ betont der Gewerkschafter.
Die nationalen und internationalen Vertriebsgesellschaften des Unternehmens sind von der Insolvenz nicht betroffen, wird betont. Der Jahresumsatz des Familienunternehmens lag zuletzt bei rund 27 Millionen Euro. Für den kommenden Montag ist eine Betriebsversammlung anberaumt, bei der Insolvenzverwalter Joachim Exner die Belegschaft über den Stand und über den weiteren Fortgang informieren will.