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PhoneCom Kommunikationsdienste GmbH: Neuer Anfang im insolventen Callcenter

13.05.2013
Passauer Neue Presse

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Zwei ehemalige Mitarbeiter gründen neue Firma und übernehmen fast alle Tittlinger Kollegen

Tittling. Gut 50 Mitarbeiter des insolventen Callcenters PhoneCom in Tittling können aufatmen: Ihr Arbeitsplatz ist gerettet. Zwar ist die PhoneCom GmbH nun komplett still­gelegt. Am 1. Mai wurde das Insolvenz­verfahren eröffnet. Doch zwei ehemalige Mit­arbeiter haben sich zusammen­getan, am 2. Mai ein neues Call­center mit neuem Namen – Talkdirekt Agentur für Dialogmarketing - gegründet und einen Großteil der Tittlinger Mitarbeiter übernommen. Vier Kranken­kassen hatten Insolvenz­antrag gestellt, weil PhoneCom-Geschäftsführer Thomas Wurl neben den Löhnen monatelang auch keine Sozialversicherungsbeiträge mehr gezahlt hatte. Seit dem 2. April kümmerte sich Rechtsanwalt Dr. Hubert Ampferl als vorläufiger Insolvenzverwalter um das marode Unternehmen mit dem Hauptstandort Tittling und drei weiteren Filialen im schwäbischen Leonberg, Regensburg und Burghausen. Insgesamt 104 Mitarbeiter waren betroffen, davon 56 am Standort Tittling.

Über zwei Millionen Schulden

Insolvenzverwalter Ampferl und sein Team machen sich auf die Suche nach einem Investor. 54 potenzielle Käufer haben sie deutschlandweit mit Informationen über die Firma versorgt – an Masse war nicht viel zu bieten. „Das ist ja kein Maschinenbaubetrieb mit Fuhrpark und Firmengebäude“, sagte Ampferl. Bei PhoneCom, zur Miete in einem Geschäftshaus in der Passauer Straße, gab es an materiellem Wert nur Schreibtische, Computer, bis zu zehn Jahre alte Telefone. Sämtliche Firmenkonten waren längst gesperrt, dazu mit Verbindlichkeiten von über zwei Millionen Euro belastet – darunter monatelange Lohnrückstände und Mietschulden von über einem Jahr. Ampferl beschreibt die wirtschaftlichen Verhältnisse als „sehr sehr desolat“. Nur zwei Bewerber schauten sich schließlich die Firma an – ein Investor aus Nürnberg und das Team Ben Raml und Stefan Wieselhuber, beide aus dem Raum Passau. Mit letzteren wurde Insolvenzverwalter Ampferl schnell handelseinig: Ramls und Wieselhubers Pfund: Sie kennen die Firma, die Belegschaft, die Abläufe. Beide haben bereits für PhoneCom gearbeitet.

Ben Raml (35) hat vor zehn Jahren als Telefonist in dem Tittlinger Callcenter angefangen, zwei Jahre später war er als Profitcenter-Leiter für die Arbeit von 14 Mitarbeitern verantwortlich. Dann machte er sich selbständig, erst als Hubschrauberpilot, dann als Unternehmensberater und Personaltrainer. Fachinformatiker Stefan Wieselhuber (34) war von 2002 an bei PhoneCom tätig, zuletzt als IT-Leiter. 2009 machte auch er sich selbstständig – PhoneCom war fortan einer seiner Auftraggeber. Ex-Geschäftsführer Thomas Wurl hat bei Wieselhuber noch eine Rechnung von 10 000 € offen. „ Die kann ich wohl abschreiben.“

Gute Umsätze, neue Aufträge

Als Ben Raml ihn anrief, ob man gemeinsam das Cellcenter in Tittling weiterführen solle, hat Wieselhuber nicht lange überlegt. „ Ich kenne den Betrieb aus jeder Ecke“ – und die Mitarbeiter, die sich in der Krise mehr als loyal gezeigt haben. Raml: „ Die Leute nicht zu übernehmen, wäre eine Straftat.“

Nachdem seit Anfang des Jahres die Löhne ausblieben, meldeten sich zwar einige krank. Doch als Betriebsrat Roland Stütz im April dazu aufrief, den Betrieb zu retten und Umsatz zu machen – Aufträge waren ja da – kamen die meisten wieder zurück ins Tittlinger Büro. Mit dem Insolvenzverwalter wurde ein Aufschlag von 25 Prozent für Überstunden vereinbart, zusätzlich gibt es im Mai eine „Durchhalteprämie“. Den Großteil des ausstehenden Gehalts aus Februar bis April haben die Mitarbeiter inzwischen als Insolvenzgeld erhalten. „ Ich sehe lachende Gesichter“, freut sich Stefan Wieselhuber, der sich nun mit Ben Raml die Geschäftsführung teilt, „das gab es lange nicht mehr“. Die neuen Geschäftsführer haben schon in den ersten Tagen gute Umsätze und neue Aufträge gemeldet.

Wenn das Callcenter weiter gut läuft, wollen Raml und Wieselhuber es auch wieder vergrößern: „ Der Wunsch wären 60 Telefonisten“, sagt Wieselhuber. Den Anfang soll eine Handvoll Zeitarbeiter machen, die Mitte des Jahres eine Festanstellung bekommen sollen. Erst einmal mussten die beiden jedoch umstrukturieren. Die drei unrentablen Standorte Leonberg, Regensburg und Burghausen wurden gar nicht erst übernommen, der „Wasserkopf“ in der Personalabteilung verkleinert. Künftig hat jeder Telefonist einen thematischen Schwerpunkt, in dem er auch mit Fachwissen geschult wird.

Die neuen Chefs haben auch einheitliche Verträge eingeführt- unter PhoneCom Geschäftsführer Wurl hatten die Mitarbeiter zum Teil gar nicht Schriftliches, berichtet Insolvenzverwalter Hubert Ampferl. Raml und Wieselhuber haben nun – trotz der Neugründung Betriebszugehörigkeiten, vereinbarte Löhne und sonstige Vereinbarungen in die neuen Verträge übernommen.

Jetzt geht es darum, den Kontakt zu verprellten Kunden wiederherzustellen. „ Wurl hat nicht nur bei Mitarbeitern Versprechungen nicht gehalten“, sagte Ben Raml. „ Das Vertrauen der alten Auftraggeber zurückzugewinnen, ist eine der schwierigsten Aufgaben für die neuen Chefs“, glaubt Insolvenzverwalter Ampferl.

Wurde die Insolvenz verschleppt?

Insolvenzverwalter Hubert Ampferl geht nun daran, die Masse zu sichern. Er prüft mögliche Schadensersatzansprüche gegen Ex-Geschäftsführer Wurl, der viel zu lange zugesehen habe; „ Insolvenzantrag muss gestellt werden, wenn das Vermögen gerade nicht mehr reich, um die Verbindlichkeiten zu decken“, erklärt Ampferl, „ nicht erst, wenn nichts mehr da ist.“

Auch die Staatsanwaltschaft ist mit dem Fall PhoneCom beschäftigt. Sie prüft, ob Thomas Wurl sich wegen Insolvenzverschleppung – eine Straftat – verantworten muss. Auf die schriftliche Bitte der PNP um eine Stellungnahme hat Thomas Wurl bisher nicht reagiert.